Muhadjir News; von Yahya al-Aus. Datum 28.08.2019

Berlin: Flüchtlinge als Gäste des Deutschen Bundestags

Auf Einladung einer Abgeordneten der Partei Bündnis 90/Die Grünen besuchten 50 Flüchtlinge aus Bonn den Sitz des deutschen Parlaments in Berlin und lernten die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt kennen. Wie haben die Flüchtlinge Berlin erlebt?
„Wir hatten Berlin bereits in den Integrationskursen kennengelernt. Aber die Wirklichkeit ist etwas ganz anderes.“ Mit diesen Worten hat Amani Abu Nasser (35 Jahre) ihren Eindruck von Berlin beschrieben: Die Syrerin ist vor vier Jahren als Flüchtling nach Deutschland gekommen. Das ist ihr erster Besuch in Berlin.

Der Besuch der Syrerin in Berlin war nicht rein touristischer Natur. Er war Teil einer Informationsreise, die der Deutsche Bundestag durchführt, um die Teilnehmer mit den politischen und kulturellen Gegebenheiten in der Hauptstadt vertraut zu machen. Die Teilnahme der Flüchtlinge an dieser Reise erfolgte auf Einladung der Abgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen, Katja Doerner, wie der Reiseleiter, Ramy Azrak, bemerkte. Er sagte auch: „Ich arbeite für eine private Organisation, die den Flüchtlingen hilft, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren: Wir organisieren diese Reisen einmal im Jahr:“

Es ist eine Gelegenheit für jeden, der politisch tätig sein will

„Die Auswahl der Flüchtlinge, die an diesen Reisen teilnehmen, hängt von ihrer Bereitschaft ab, an den Aktivitäten teilzunehmen, die die Organisation anbietet und die ihre Integration fördern sollen“, sagt Ramy zu Muhadjir News.
Ungefähr 50 Flüchtlinge haben an dieser Reise teilgenommen. Sie fand in der vergangenen Woche statt und dauerte drei Tage. Das Besuchsprogramm war sehr dicht geplant. Der Besuch umfasste die Besichtigung der wichtigsten Sehenswürdigkeiten in Berlin einerseits und bot andererseits die Möglichkeit, das politische Geschehen dort kennenzulernen, wie der syrische Flüchtling Djumaa (25 Jahre) sagt. Er fährt fort: „Ich hatte die Möglichkeit, zu erfahren, wie die Regierungsbildung in Deutschland zustande kommt und habe auch das politische Leben aus der Nähe erlebt.“ Djumaa, der Medizin studiert, ist der Meinung, dass der Besuch des Bundestags in Berlin, ihm viele wichtige Informationen geliefert hat, die er als Flüchtling später gut gebrauchen kann, wenn er sich entscheiden sollte, in der Politik oder der Zivilgesellschaft aktiv zu sein.

Die wichtigste Station der Reise

Wahrscheinlich war der Besuch des deutschen Bundestags die wichtigste Station dieser Reise. Dieser Besuch der Flüchtlinge im Parlament beschränkte sich nicht auf die Besichtigung des Gebäudes von außen. Sie durften sogar dieses einzigartige Gebäude betreten, die verschiedenen Sitzungssäle, die Mechanismen der Arbeit und die Debatten, die geführt werden, kennenlernen. Es gab auch die Möglichkeit, Mitglieder des Bundestags zu treffen und kennenzulernen.

Holger Koslowski ist der Verantwortliche, der das Reiseprogramm organisiert hat. Er bekräftigt seinerseits die Bedeutung des Besuchs im Deutschen Bundestag: „Es ist eine Gelegenheit, den Teilnehmern die Arbeitsweise des Parlaments und den Verlauf des demokratischen Prozesses näherzubringen.“ Als er gefragt wird, warum sie das nicht in Bonn machen und ob es in Bonn keine Demokratie gäbe, lacht er mitten auf der Sonnenallee, die die Flüchtlinge abends auf eigenen Wunsch besucht haben, um den arabischen Markt dort zu besichtigen: „Sicher haben wir Demokratie in Bonn. Aber Berlin ist das Zentrum des politischen Entscheidungsprozesses.“

Abbas, 25 Jahre alt, ist ein Flüchtling aus dem Irak. Er hat auch an der Reise teilgenommen. In seinem Land hat er politische Wissenschaften studiert. Er sagt: „Die Teilnahme an der Reise hat mich in dem Willen bestärkt, die Gepflogenheiten der Politik in Deutschland kennenzulernen. Ich bin sehr glücklich, dass ich an dieser Reise teilnehmen konnte. Es ist schwierig für uns als Flüchtlinge, Berlin zu besuchen, weil es sehr teuer ist.“
Eine Möglichkeit für die politischen Parteien, für sich zu werben. Natürlich begnügen sich die politischen Parteien nicht nur damit, diejenigen, die sie einladen, mit dem politischen System in Deutschland bekanntzumachen. Sie versuchen auch, für sich, ihre Ideen und ihre politischen Programme zu werben. Das wurde ganz deutlich in den Debatten, in denen es um die politischen Anliegen der Partei der Grünen und um ihre Prinzipien, ging, die sich um Umweltschutz, Familie, Bildung und die Rechte von Flüchtlingen drehen.

Das deutsche Parlament organisiert jährlich ca. 2100 Besuche im Bundestag. Ihr Ziel ist, die Transparenz des politischen Prozesses im Parlament zu verdeutlichen: Jeder Bundestagsabgeordnete hat das Recht, drei Besuchergruppen pro Jahr nach Berlin einzuladen, damit sie aus der Nähe das Zentrum des parlamentarischen Lebens in der Hauptstadt kennenlernen.